25 Jahre Hospizgruppe Tettnang: Ehrenamtliche helfen, damit am Ende niemand allein sein muss

05.10.2019

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das eine Ausnahmesituation. Da spielen Ängste eine Rolle. Aber es geht auch darum, nicht allein in dieser Situation zu sein - sowohl für Betroffene als auch deren Angehörige. In Tettnang gibt es seit 25 Jahren eine Hospizgruppe, in der Ehrenamtliche in dieser Situation helfen. Diese wurde 2009 in den Hospizverein Tettnang integriert. In einem Festakt am Freitag, 11. Oktober, wird dieses doppelte Jubiläum gefeiert.

Eine Angehörige, die anonym bleiben möchte, schildert die Situation, „in der so viele Emotionen wie Ängste, Trauer und Hilflosigkeit den Alltag begleiten“. Sie habe den Hospiz-Begriff nur beiläufig gekannt, bis ihre Mutter so schwer erkrankt sei, dass „die Gewissheit kam, dass sie nicht mehr genesen würde und sich auf den Weg des endgültigen Abschiednehmens begeben hat“.

Worüber sie dankbar ist: In dieser Situation hilft der Hospizdienst, sei es daheim oder in Einrichtungen. Da kann es Gespräche geben oder ein Da-Sein. „Ich hätte das allein nicht geschafft“, sagt ein anderer Angehöriger. Während die ehrenamtliche Begleiterin bei seiner Frau wachte, konnte er schlafen: „Das war wirklich eine große Hilfe. Es ist ein ungemein beruhigendes Gefühl, wenn jemand da ist.“

Es habe sie unglaublich beeindruckt, sagt die Sozialpädagogin Eva Meyerle, wie ein Mensch in ihrem persönlichen Umfeld mit seiner Krankheit und seinem Sterben umgegangen sei. Das habe ihren eigenen Blick auf das Leben verändert. Durch eine Zeitungsannonce sei sie dann auf den Hospizverein aufmerksam geworden und sei dort nach der Schulung als Helferin eingestiegen. Man müsse im Einsatz sehr offen sein und sich selbst zurücknehmen: „Es geht ja um den Menschen, der dort ist.“

Maria Locher war 40 Jahre lang Krankenschwester. Mit dem Eintritt in die Rente plante sie eine Veränderung: Reisen, mal etwas für sich selbst machen. Doch nach einem halben Jahr merkte sie, wie viel es ihr gibt, für andere da zu sein. In ihrem früheren Beruf ging es ums Anpacken beim Patienten. „Das Zurückhalten ist mir am Anfang ganz schwer gefallen“, sagt sie zu ihrer ersten Zeit als Begleiterin. Denn pflegerische oder medizinische Tätigkeiten übernehmen die Ehrenamtlichen nicht, wenn sie auch mit kleinen Handreichungen helfen. Mittlerweile hat Maria Locher sich in ihrer neuen Rolle eingefunden: Sie habe mehr Zeit. Zeit, da zu sein. Zeit, dem Menschen zuzuhören, den sie begleitet.

Ganze Lebensgeschichten

Oft erfahre man dabei ganze Lebensgeschichten, ergänzt Eva Meyerle. Und Helmut Strnad erwidert, man müsse aufpassen, dass man nicht zu viel davon mit nach Hause nehme. Er ist ebenso wie Maria Locher seit 2010 dabei. In seinem früheren Beruf als Kripobeamter hat Strnad viel mit Angehörigen zu tun gehabt. In seinem Ruhestand wollte er helfen, das war ihm damals schon klar. Das Thema Tod schreckt ihn durch seinen früheren Beruf nicht, und auch nicht der Dienst in der Nacht. Für Bianka Mosch, Koordinatorin im Hospizverein, ist seine Unterstützung auch aus einem anderen Grund wichtig: „Manche Männer wollen nur durch einen Mann begleitet werden.“

Ebenso breit gefächert wie diese drei sind die anderen ehrenamtlichen Helfer im Hospizverein. Der hat mittlerweile 150 Mitglieder, darunter neben den Kirchen auch die Stadt Tettnang. Das Angebot hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls stetig erweitert, bis hin zum Trauercafé oder der wöchentlichen Hospizsprechstunde bei den Koordinatorinnen Antje Claßen und Bianka Mosch. Die Arbeit der speziell geschulten ehrenamtlichen Helfer, die der Schweigepflicht unterliegen, ist kostenlos und unabhängig von Religion oder Nationalität.

Die Jubiläumsfeier am Freitag, 11. Oktober, beginnt um 18 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Schlosskirche. Daran schließt sich gegen etwa 19 Uhr der Festakt im Rittersaal des Schlosses an. Die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Erika Geser-Engleitner wird als Hauptrednerin über das Thema „Das Ehrenamt – Notnagel und Kitt der Gesellschaft“ sprechen. Der Hospizverein lädt die Bevölkerung ein, mitzufeiern. Im Anschluss gibt es ein gemütliches Beisammensein im Rittersaal.

Quelle: SZ Ausgabe TT

 

Bild zur Meldung: ARCHIV - ILLUSTRATION - 13.11.2007, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: ein Pfleger hält in einem deutschen Pflegeheim die Hand einer Bewohnerin. (zu dpa "Mehr Beschwerden über schlechte Qualität in der Pflege" vom 09.08.2018) (Foto: Oliver Berg)